Teil 2 – Der Traum vom Auswandern und seine Hürden

Die Vorstellung, einfach die Koffer zu packen und in ein anderes Land zu ziehen, klingt verlockend. Doch die Realität sieht oft anders aus:

  • Ohne Vermögen wird es schwierig: Viele Länder verlangen finanzielle Nachweise – etwa ein Mindestvermögen, Rücklagen oder ein Einkommen oberhalb bestimmter Schwellen, oft auch eine Investition in die örtliche Wirtschaft.

    Wenn man sich zum Beispiel dauerhaft im karibischen Paradies Curaçao aufhalten möchte, hat man die Option, in die lokale Wirtschaft zu investieren. Bei den Beträgen, die einem die Aufenthaltsgenehmigung als Investor ermöglichen, schlackert jeder Normalverdiener mit den Ohren: umgerechnet etwa 265.000 € muss man mindestens investieren, um 3 Jahre dort bleiben zu dürfen, mit der Option auf Verlängerung. Bei umgerechnet ca. 402.000 € oder mehr werden es 5 Jahre, ebenfalls mit der Option auf Verlängerung und für die Möglichkeit zur dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung und späteren Einbürgerung muss man umgerechnet ca. 805.000 € oder mehr investieren. Diese Option fällt für die meisten Menschen also schonmal weg.

    Wenn man nicht gerade Rentner mit einem bestimmten jährlichen Mindesteinkommen ist oder mit jemandem verheiratet ist oder zusammenlebt, der bereits auf Curaçao lebt, bleiben einem nur ein meist auf 1 Jahr befristetes Arbeitsvisum, für das man aber einen Arbeitsvertrag bei einem Unternehmen auf Curaçao haben muss, während der Arbeitgeber nachweisen muss, dass keine lokale Arbeitskraft für die Tätigkeit verfügbar ist oder ein Selbstständigenvisum für Personen, die ein eigenes Geschäft gründen oder freiberuflich arbeiten. Hierfür ist ein Nachweis von Einkommen und Geschäftstätigkeit und ggf. eine Registrierung bei der Handelskammer von Curaçao erforderlich.
  • Berufliche Qualifikation entscheidet: Wer keinen Beruf ausübt, der im Zielland stark gefragt ist (z. B. IT, Pflege, Ingenieurwesen), hat oft kaum Chancen auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Das kann man auch keinem Land verübeln. Jedes Land sollte im Grunde nur Menschen aufnehmen, von denen es profitieren kann. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, stehen natürlich auf einem anderen Blatt Papier, aber auch bei solchen sollte darauf geachtet werden, dass diese in kulturell ähnlichen Ländern landen, um eine Situation, wie wir sie heute in Deutschland haben, zu vermeiden. Jedenfalls ist es in den meisten Ländern ohne bestimmte Qualifikationen alles andere als einfach, sich dort niederzulassen.
  • Sprachbarrieren und Bürokratie: Selbst mit guten Englischkenntnissen ist der Weg durch Visaanträge, Arbeitsgenehmigungen und Aufenthaltsregelungen ein bürokratischer Marathon. Ohne Hilfe drohen viele Fallstricke. Es gibt Experten, die sich auf das Auswandern in spezielle Länder spezialisieren, doch auch diese kosten wieder Geld.

    Je nach Zielland muss man außerdem eine neue Sprache lernen, um sein Auswandern vorzubereiten und in dem Land zurechtzukommen. Mir macht das Spaß und bisher kämen für mich schon englisch-, spanisch-, niederländisch- und zur Not französischsprachige Länder in Frage, aber kann ich meiner Familie dasselbe zumuten? Schaffen es alle aus der Familie, vor allem ältere Familienmitglieder, „mal eben“ eine Fremdsprache zu erlernen?

    Auch in Deutschland muss man vor seinem Wegzug noch einiges regeln und beachten. Man muss sich ordnungsgemäß beim Einwohnermeldeamt abmelden und vorher sollte man sich natürlich gut überlegen, ob man seinen Wohnsitz in Deutschland komplett auflöst. Wenn man das nicht tut, kann es sein, dass man in Deutschland weiterhin Steuern zahlen muss. Die Steuerfrage ist eines der komplexesten Themen rund ums Auswandern. Im schlimmsten Fall kann es zu Überschneidungen oder Streitfällen kommen – besonders bei Kapitalerträgen oder Renten. Auch beim Finanzamt muss man seinen Wegzug anzeigen und ggf. umfangreiche Unterlagen zu Beteiligungen und Vermögenswerten einreichen. Bei Nichtmeldung drohen Steuerschätzungen und Sanktionen. Manche deutschen Banken und Versicherungen kündigen Verträge bei Wohnsitzverlagerung ins Ausland – neue Konten oder Policen im Zielland müssen her.
  • Remote-Arbeit und digitale Selbstständigkeit: Freiheit mit Ablaufdatum
    Viele Deutsche arbeiten heute remote – entweder angestellt in deutschen Firmen oder als digitale Selbstständige. Der eine oder andere folgt vielleicht ein paar virtuellen Assistenten, die auch als Coaches arbeiten und in Newslettern und sozialen Medien von ihrem tollen, ortsunabhängigen Leben erzählen. Dabei geht es aber eher um häufige Ortswechsel, um ein Leben auf Reisen. In mittlerweile über 50 Ländern gibt es spezielle Visa für digitale Normaden, doch auch hier muss man oft ein monatliches Mindesteinkommen in landesabhängiger Höhe sowie finanzielle Rücklagen nachweisen, sowie in fast jedem Land eine international gültige Krankenversicherung mit Mindestdeckung, man muss eine Hotelbuchung, einen Mietvertrag oder eine Wohnsitzbestätigung, aber auch ein Rückflugticket vorlegen können und man sollte sich sehr gut informieren, was die Steuerpflicht betrifft.

    Man sollte sehr genau wissen, wann im Zielland die Steuerpflicht beginnt, ob es ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland gibt und ob und ab welcher Aufenthaltsdauer man im neuen Land steuerlich ansässig wird. Grundsätzlich bleibt man steuerlich in Deutschland ansässig, solange man dort deinen Wohnsitz hat und weniger als 183 Tage im Ausland verbringt. Alles in allem sind Digital Nomad Visa für Menschen, die nicht allzu lange an einem Ort bleiben wollen, sicher eine gute Lösung und bieten viele Vorteile, aber wenn man sich längerfristig in einem neuen Land niederlassen möchte, ist so ein Visum mit von Land zu Land variierender Aufenthaltsdauer nicht die beste Lösung. Wer sich komplett aus Deutschland abmeldet, muss sich mit komplexen internationalen Steuerregelungen auseinandersetzen. Auch hier empfiehlt es sich, einen Experten zu konsultieren, der für seine Arbeit natürlich Geld verlangt

    Die vermeintliche Freiheit der digitalen Arbeit endet also oft an der Grenze zur Realität: Man lebt als Dauertourist, ohne echte Perspektive auf Integration oder langfristige Sicherheit. Und wer lebt schon nur aus einem Koffer? Ich frage mich oft, wo Dauerreisende ihre ganzen Sachen haben. Wenn man in Deutschland weiterhin Miete zahlen muss, während man reist, kann das doch nicht rentabel sein. Ich denke, dass digitale Nomaden in Wirklichkeit sehr oft Menschen sind, die entweder in Deutschland Wohneigentum haben oder mietfrei bei Freunden, Verwandten und sehr oft bei ihren Eltern unterkommen. Auch dieses Privileg hat leider nicht Jeder.
  • Spekulationssteuer bei Immobilienverkauf
    Wenn Sie zu den Menschen gehören, die Wohneigentum besitzen und die Immobilie innerhalb von 10 Jahren nach dem Kauf verkaufen, fällt Spekulationssteuer nach § 23 EStG an. Auch nach dem Wegzug kann Deutschland den Veräußerungsgewinn besteuern, da die Immobilie in Deutschland liegt. Nur wenn Sie die Immobilie mindestens 3 Jahre selbst bewohnt haben, ist der Verkauf steuerfrei. Andersherum kann man aber auch bei einem Immobilienverkauf mit Verlust innerhalb der Spekulationsfrist diesen Verlust steuerlich geltend machen.

    Wenn man die Eigentumswohnung oder das Haus auch zum Arbeiten benutzt, ist Folgendes zu beachten: Früher wollten Finanzämter den Anteil des Arbeitszimmers beim Immobilienverkauf anteilig besteuern, wenn er zuvor steuerlich geltend gemacht wurde. Heute gilt: Wenn die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, ist der gesamte Verkaufsgewinn steuerfrei – auch der Anteil, der auf das Arbeitszimmer entfällt. Die Rechtsgrundlage dafür ist das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. März 2021 (Az. IX R 27/19) mit der Begründung, die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers sei unwesentlich, solange die Immobilie insgesamt privat genutzt wurde. Falls das Finanzamt also dennoch eine Besteuerung vornimmt, kann man innerhalb eines Monats Einspruch einlegen und sich auf das BFH-Urteil berufen.
  • Alternative: Seine Immobilie vermieten
    Wenn Sie sich dazu entscheiden, Ihre Immobilie in Deutschland nicht zu verkaufen, sondern zu vermieten oder zu verpachten, bleiben Sie in Deutschland steuerpflichtig, da es sich um inländische Einkünfte nach § 49 EStG handelt. Sie müssen jährlich eine deutsche Steuererklärung als beschränkt steuerpflichtige Person abgeben. Das hat den Vorteil, dass Werbungskosten wie Reparaturen weiterhin abgesetzt werden können.
    Der Nachteil ist jedoch, dass beschränkt Steuerpflichtigen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG der Grundfreibetrag nicht gewährt wird. Mieteinnahmen werden damit so besteuert, als ob der Grundfreibetrag von derzeit 11.604 € bereits ausgeschöpft wäre. Auch Kinderfreibeträge nach § 32 EStG gemäß § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG sind für beschränkt Steuerpflichtige nicht anwendbar.
  • Neuerung bei der Wegzugsbesteuerung ab 2025
    Bisher galt die Wegzugsbesteuerung nur für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, doch auch Investmentfonds (z. B. ETFs, klassische Fonds, Spezialfonds) unterliegen seit 2025 der Wegzugsbesteuerung bei einem Wohnsitzwechsel ins Ausland, wenn Sie innerhalb der letzten 5 Jahre mindestens 1 % Anteil an einem Fonds oder Unternehmen halten oder Anschaffungskosten von mind. 500.000 € für einen einzelnen Fonds haben. Bei Spezialfonds ist die Wegzugsbesteuerung sogar unabhängig vom Beteiligungsumfang. In diesen Fällen sollte man seine Anteile am besten vor dem Wegzug verkaufen und in mehrere Fonds unterhalb der 500.000 €-Grenze reinvestieren. So etwas würde ich persönlich (wenn ich derartige Vermögenswerte hätte) aber niemals ohne Beratung austüfteln. Wichtig zu wissen ist, dass bei einer Rückkehr nach Deutschland innerhalb von 7 Jahren die Steuer rückwirkend entfallen kann.
  • Eventuelle Wiedereinführung der Wehrpflicht
    Die Wehrpflicht ist nicht abgeschafft, sondern seit 2011 nur ausgesetzt. 2025 plant die Bundesregierung eine Wiedereinführung eines neuen Wehrdienstmodells, das verpflichtende Musterungen vorsieht. Einberufungen könnten im Spannungs- oder Verteidigungsfall erfolgen – also bei militärischer Bedrohung oder im Bündnisfall. Wer nach dem 17. Lebensjahr auswandert, kann theoretisch bis zum 60. Lebensjahr zur Rückkehr und Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet werden. Auch beim dauerhaften Aufenthalt im Ausland bleibt die Wehrpflicht bestehen, solange man die deutsche Staatsangehörigkeit behält. Eine Einbürgerung in ein anderes Land kann die Wehrpflicht beenden – aber nur bei Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit. In Friedenszeiten ist eine Zwangsrückführung nicht vorgesehen, im Verteidigungsfall könnten abgewanderte Deutsche jedoch zur Rückkehr verpflichtet werden – zumindest theoretisch. Im Ernstfall können deutsche Botschaften zu Mitteln wie einer Aussetzung der Passverlängerung greifen, das Passgesetz könnte zum Nachteil von Wehrdienstverweigerern geändert werden und durch die Verweigerung konsularischer Dienste könnte eine Rückkehr erzwungen werden. Am sichersten ist man in jedem Fall, wenn man die deutsche Staatsbürgerschaft aufgibt und eine neue annimmt.
    Quelle: Wehrpflicht umgehen durch Auswanderung? Was im Verteidigungsfall wirklich gilt — Perspektive Ausland Podcast

Teil 3: Der Ernstfall / Fazit

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